Elternunterhalt

Wann müssen Kinder zahlen?

Wenn Eltern zum Pflegefall werden, reicht das Geld für die teure Heimunterbringung oft nicht aus. Was Rente, Vermögen und Pflegeversicherung nicht abdecken, zahlen zunächst die Sozialhilfeträger. Doch die versuchen, sich das Geld von den Kindern zurückzuholen.

Wer ist unterhaltspflichtig?

Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren – so steht es im Gesetz. Gemeint sind Personen, die voneinander abstammen. Unterhaltspflichtig sind demnach Enkel, Kinder, Eltern, Großeltern und Urgroßeltern, nicht aber Geschwister, Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins.

Die Unterhaltspflicht besteht wechselseitig. Das heißt, Eltern zahlen für ihre Kinder und umgekehrt Kinder auch für ihre Eltern. Unter den Begriff Kinder fallen beim Elternunterhalt eheliche, nicht eheliche und adoptierte Kinder, nicht aber Stiefkinder. Kinder sind gegenüber ihren Eltern nur unterhaltspflichtig, wenn sie volljährig sind.

Eine Unterhaltspflicht besteht nur bei Bedürftigkeit. Kann zum Beispiel der pflegebedürftige Vater die Kosten der Heimunterbringung nicht vollständig aus seiner Rente, seinem Vermögen und den Leistungen der Pflegeversicherung bestreiten, sind seine erwachsenen Kinder unterhaltspflichtig.

Ein Heimplatz Pflegestufe III kostet pro Monat durchschnittlich 3000 Euro. Hinzukommen können Ausgaben für Zusatzleistungen wie ein größeres Zimmer oder für gesondert berechenbare Investitionsaufwendungen wie zum Beispiel Instandhaltungskosten, die der Heimträger auf die Bewohner umlegen kann.

Sozialamt tritt in Vorleistung

Zwar übernimmt zunächst das Sozialamt die nicht gedeckten Heimkosten. Die Behörde wird aber versuchen, sich das Geld von den Kindern zurückzuholen – und den Anspruch ggf. auch vor dem Familiengericht durchzusetzen.

Tipp: Das Sozialamt ist verpflichtet, in Vorleistung zu treten. Es darf die Hilfe nicht mit der Begründung verweigern, es bestünden Unterhaltsansprüche gegenüber den Kindern, und die Angehörigen unter Druck setzen. Nur wenn Angehörige freiwillig bereit und in der Lage sind, zu zahlen, darf die Behörde auf die Selbsthilfe verweisen.

Besonderheit bei zusammenlebenden Ehegatten

Kommt ein Ehegatte ins Pflegeheim, wird der andere automatisch zum Sozialhilfeempfänger, wenn die gemeinsamen Einkünfte und das gemeinsame Vermögen nicht ausreichen, um die Heimkosten zu decken. Für die Berechnung des Unterhalts wird das Einkommen des Ehegatten, das über dem Sozialhilfesatz liegt (einschließlich Kosten für Unterkunft und Heizung rund 650 bis 700 Euro), herangezogen.

Das Sozialhilferecht schränkt allerdings die Rückgriffsmöglichkeit der Behörde ein. Auch wenn im Bürgerlichen Gesetzbuch steht, dass alle Verwandten in gerader Linie gegenseitig zum Unterhalt verpflichtet sind, darf das Sozialamt beim Elternunterhalt nur auf Verwandte ersten Grades, also die Kinder, zurückgreifen. Die Behörde kann nicht etwa das Enkelkind verpflichten, für die Großeltern Unterhalt zu zahlen. Der Großvater hat zwar einen Unterhaltsanspruch gegenüber seinem Enkel. Doch wenn er diesen nicht geltend macht, bleibt das Sozialamt auf den Kosten sitzen.

Etwas anderes gilt, wenn ein Betreuer bestellt wird. Dieser kann statt Sozialhilfe zu beantragen direkt die Verwandten auf Unterhalt verklagen. Hier gilt die Begrenzung auf Verwandte ersten Grades nicht. Ist das Kind nicht unterhaltsfähig, verfügt aber der Enkel über genügend Einkommen bzw. Vermögen, kann er auf Unterhalt für den Großvater verklagt werden – entweder vom Großvater direkt oder über einen Betreuer.

Sonstige Forderungen prüfen

Bevor das Sozialamt Kinder zur Kasse bittet, müssen zunächst sonstige Forderungen geltend gemacht werden. So kann die Behörde Schenkungen innerhalb der vergangenen zehn Jahre wegen Verarmung zurückfordern. Der Beschenkte muss aber nicht das gesamte Geschenk bzw. den gesamten Wert auf einmal erstatten. Es reicht aus, wenn der monatlich ungedeckte Bedarf der Sozialhilfe gezahlt wird. Haben Sie beispielsweise 24.000 Euro vom Pflegebedürftigen geschenkt bekommen und beträgt der ungedeckte Bedarf monatlich 1000 Euro, so müssen Sie 1000 Euro pro Monat zahlen. Das aber maximal 24 Monate lang, bis der Wert der Schenkung von insgesamt 24.000 Euro abgezahlt ist.

Bekommt der Unterhaltsbedürftige nur eine kleine Rente, sollten die Kinder zudem prüfen, ob ein Anspruch auf Grundsicherung besteht. Die Grundsicherung ersetzt seit Januar 2003 die Sozialhilfe für Rentner.

Vorteil der Grundsicherung: Ein Rückgriff auf die Kinder ist nur möglich, wenn diese mit ihrem zu versteuernden Einkommen über einer Grenze von 100.000 Euro liegen. Diese Einkommensgrenze bezieht sich allerdings nur auf die Leistungen der Grundsicherung nach SGB XII. Wird zusätzlich zur Grundsicherung Sozialhilfe geleistet, ist diese vom unterhaltspflichtigen Kind im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit grundsätzlich zu erstatten.

Mit anderen Worten: Auch wenn ein Elternteil neben der Rente Grundsicherung bezieht, heißt das noch nicht, dass die Kinder aus dem Schneider sind. Denn häufig übersteigen die Heimkosten Rente, Grundsicherung und Leistungen aus der Pflegeversicherung.

Tipp: Achten Sie darauf, dass zunächst alle sonstigen Möglichkeiten ausgeschöpft werden.

Erst dann kann die Behörde Sie in die Pflicht nehmen.

Kinder müssen Einkommen offenlegen

Ob Kinder unterhaltspflichtig sind und wie hoch der Unterhalt ausfällt, richtet sich nach ihrem Einkommen und Vermögen. Das zuständige Sozialamt schickt unterhaltspflichtigen Kindern zunächst eine sogenannte Rechtswahrungsanzeige zu, in der es darüber informiert, dass Sozialhilfe für die Eltern gezahlt wird. Damit sichert sich die Behörde mögliche Regressansprüche ab diesem Zeitpunkt: Setzt die Behörde das Kind zum Beispiel im Februar von der Unterhaltspflicht in Kenntnis, berechnet den zu zahlenden Unterhalt aber erst im Dezember, kann sie den Unterhalt rückwirkend ab der ersten Mitteilung fordern, also ab Februar.

In dem Schreiben wird der Unterhaltspflichtige aufgefordert, sein Einkommen und Vermögen offenzulegen. Die Behörde hat gegenüber den Verwandten in gerader Linie ein Auskunftsrecht. Sie überprüft dann anhand der Angaben die Leistungsfähigkeit des Nachwuchses.

Was zum Einkommen zählt

Zum unterhaltsrechtlichen Einkommen zählen grundsätzlich alle Einkünfte, also neben dem Bruttoverdienst auch beispielsweise Einnahmen aus Vermietung, Verpachtung oder Kapitalvermögen.

Berufsbedingte Aufwendungen

Keine einheitliche Regelung: Die Oberlandesgerichte Düsseldorf und Berlin haben die Kosten für berufsbedingte Aufwendungen mit fünf Prozent des Nettoeinkommens angesetzt, maximal mit 50 Euro. Andere Oberlandesgerichte verlangen die tatsächlichen Kosten (zum Beispiel das OLG Köln).

Angerechnet werden auch einmalige Sonderzuwendungen wie Weihnachts-/Urlaubsgeld und Einkünfte aus Überstunden bzw. Nebentätigkeiten. Unfallrenten, Arbeitslosen- und Mutterschaftsgeld werden ebenfalls berücksichtigt. Nicht herangezogen werden dagegen Kindergeld, Elterngeld und Sozialhilfe.

Vom Bruttobetrag werden Steuern und Sozialversicherungsabgaben abgezogen. Auch weitere Belastungen gehen ab, darunter fallen zum Beispiel Kosten für berufsbedingte Aufwendungen. Abgezogen werden auch Kredite und Schulden, die schon vor Eintritt der Unterhaltspflicht bestanden haben, sowie Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den eigenen Kindern, des Ehegatten oder des Ex-Ehegatten.

Nachrang des Elternunterhalts

Das Bundesverfassungsgericht hat 2005 klargestellt, dass der Elternunterhalt nur nachrangiges Gewicht hat. Finanzielle Verpflichtungen gegenüber (auch geschiedenen) Ehegatten und eigenen Kindern gehen vor. Denn die mittlere Generation (sogenannte Sandwichgeneration) sehe sich den vorrangigen Unterhaltsansprüchen der eigenen Kinder ausgesetzt und müsse sich zudem um die eigene Altersvorsorge kümmern (AZ: 1 BvR 1508/96).

Für die eigene private Altersvorsorge (zum Beispiel für eine Lebensversicherung) können bis zu fünf Prozent vom Brutto berechnet werden (BGH-Urteil, AZ: XII ZR 98/04). Allerdings werden hier keine pauschalen Abzüge für die sekundäre Altersvorsorge anerkannt, sondern nur tatsächliche Ausgaben.

Übrig bleibt das bereinigte Einkommen, das für die Bestimmung des Unterhaltsanspruchs maßgeblich ist.

Was zum Leben bleiben muss

Kindern muss ein Selbstbehalt bleiben, damit ihr eigener Unterhalt und der ihrer Familie gesichert sind. Genaue Beträge gelten hier aber nicht, es kommt auf den Einzelfall an. Bei den Oberlandesgerichten gibt es den jeweiligen örtlichen Lebensverhältnissen angepasste unterhaltsrechtliche Leitlinien, in denen geregelt ist, wie sich die Unterhaltsansprüche grundsätzlich errechnen und wie hoch der sogenannte Selbstbehalt sein muss. Nahezu bundesweit ziehen die Gerichte die Düsseldorfer Tabelle zur Ermittlung des Unterhalts heran. Demnach müssen dem unterhaltspflichtigen Kind 1400 Euro und dem Ehegatten 1050 Euro pro Monat zum Leben bleiben.

In diesen Beträgen sind Unterkunftskosten für einen Alleinstehenden in Höhe von 450 Euro bzw. für Ehepaare in Höhe von 800 Euro enthalten. Ist die Miete höher, kann das beim zuständigen Sozialhilfeträger geltend gemacht werden.

Düsseldorfer Tabelle

Die aktuelle Tabelle können Sie gegen Entgelt beim OLG Düsseldorf, Postfach 300210, 40402 Düsseldorf anfordern oder kostenlos im Internet aufrufen.

Bislang fielen die Forderungen je nach Region und Stadt unterschiedlich aus. Im Juli 2010 hat der Bundesgerichtshof daher ein einheitliches Rechenmodell vorgeschlagen (AZ: XII ZR 140/07): Ein Paar, das zusammenlebt, muss jetzt zehn Prozent Haushaltsersparnis hinnehmen.

Wichtig: Es muss in der Regel nur die Hälfte von dem Betrag, der über dem Selbstbehalt liegt, eingesetzt werden.

Rechenbeispiele

Beispiel 1:

Das bereinigte Netto beträgt 2000 Euro. Damit liegt das Kind 500 Euro über dem Selbstbehalt von 1500 Euro. Von den 500 Euro müssen aber nur 250 Euro (also die Hälfte) an das Sozialamt abgeführt werden.

Beispiel 2:

Das Kind ist verheiratet. Der Ehepartner arbeitet nicht. Das Kind hat ein Nettoeinkommen von 3250 Euro (brutto: 5000 Euro), abzüglich: Pauschale für berufliche Aufwendungen: 150 Euro (fünf Prozent des Nettoeinkommens, max. 150 Euro), private Altersvorsorge: 250 Euro (fünf Prozent des Bruttoeinkommens), Familiensockelbetrag: 2700 Euro (1500 Euro für das Kind und 1200 Euro für den Ehepartner). Bleibt ein einzusetzendes Einkommen von 150 Euro, plus zehn Prozent Haushaltsersparnis, ergibt 165 Euro. Der Elternunterhalt beträgt die Hälfte, also 82,50 Euro monatlich.

Die Leitlinien dienen nur zur Orientierung. Der Bundesgerichtshof macht die konkrete Höhe des Selbstbehalts vom Einkommen und sozialen Rang des unterhaltspflichtigen Kindes abhängig.

Auch Vermögen wird herangezogen

Grundsätzlich ist auch das Vermögen des unterhaltspflichtigen Kindes zum Unterhalt der Eltern heranzuziehen. Dabei ist es unerheblich, ob dem unterhaltspflichtigen Kind nur ein Einkommen unter dem Selbstbehalt verbleibt. Das Kind muss viel eher darlegen, ob und wie das vorhandene Vermögen für den eigenen Unterhalt und die Alterssicherung benötigt wird. Die selbstgenutzte Immobilie wird nicht angerechnet. Unterhaltspflichtige Kinder sollen ihr Eigenheim nicht verkaufen müssen, um Unterhalt leisten zu können. Die obersten Gerichte betonen, dass Kinder ihren Lebensstandard durch die Unterhaltsverpflichtung nicht einschränken müssen. Auch der selbst genutzte Pkw bleibt bei der Vermögensberechnung außen vor.

Zum Vermögen zählen dagegen beispielsweise Sparbücher, Aktien, Wertpapiere, Schmuck, Gold oder fremd genutztes Eigentum. Die Verwertung eines Ferienhauses hat der Bundesgerichtshof zum Beispiel für zumutbar erachtet. Das unterhaltspflichtige Kind kann zusätzlich zu seiner Altersversorgung ein Altersvorsorgevermögen in Höhe von fünf Prozent seines Bruttoeinkommens anrechnungs- und verwertungsfrei geltend machen. „Sie verdienen im Jahr 50.000 Euro brutto. Dann können Sie jährlich bis zu 2500 Euro zum Beispiel in eine private Rentenversicherung einzahlen. Der Betrag ist sicher. Zahlen Sie schon 20 Jahre ein, bleiben auch die angesparten 50.000 Euro plus Zinsen, also ca. 75.000 Euro, unantastbar.

Zusätzlich zum Freibetrag für die Altersvorsorge gesteht der Bundesgerichtshof noch Rücklagen für notwendige Anschaffung zu, zum Beispiel ca. 20.000 Euro für den Ersatz eines über zehn Jahre alten Pkw. Solche Rücklagen können beispielsweise auch für eine notwendige Hausrenovierung oder -reparatur geltend gemacht werden (AZ: XII ZR 98/04).

Zahlen für die Schwiegermutter?

Grundsätzlich besteht keine Unterhaltspflicht gegenüber den Schwiegereltern. Hat aber das Schwiegerkind ein relativ hohes Gehalt, kann es durchaus für den Elternunterhalt seiner Schwiegereltern herangezogen werden, hat der Bundesgerichtshof entschieden (AZ: XII ZR 122/00 und AZ: XII ZR 224/00).

Die Begründung: Es komme auf die gesamtwirtschaftliche Situation an und damit auf das Gesamtfamilieneinkommen. Bei guten Einkommens- und Vermögensverhältnissen müssten auch die kaum oder nicht verdienenden Ehepartner, die grundsätzlich gegenüber ihren Eltern zum Unterhalt verpflichtet sind, zumindest von ihrem Taschengeldanspruch gegenüber ihrem Ehegatten einen Beitrag zum Unterhalt leisten. Mit anderen Worten: Verdienen Sie wenig Geld, Ihr Ehepartner aber viel, müssen Sie sich sein hohes Einkommen zurechnen lassen.

Verdient der Ehepartner beispielsweise 3000 Euro netto, das unterhaltspflichtige Kind selbst aber nur 1000 Euro netto, sind rund 180 Euro Elternunterhalt fällig. Als Single wäre das Kind aufgrund des Selbstbehalts von rund 1500 Euro von der Zahlungspflicht befreit. Auf Anfrage des Sozialamts muss auch der Ehepartner des unterhaltspflichtigen Kindes sein Einkommen angeben. Verweigert er die Auskunft, kann die Behörde ihn vor dem Familiengericht verklagen.

Gemeinsame Pflicht der Geschwister

Grundsätzlich sind alle Geschwister unterhaltspflichtig. Wie hoch der Anspruch beim einzelnen Kind ausfällt, hängt von der jeweiligen Leistungsfähigkeit ab. Es wird prozentual ermittelt, wie viel jedes Kind zu zahlen hat. Ist ein Kind nicht leistungsfähig, muss es auch keinen Unterhalt zahlen.

Geschwister müssen zahlen

Kind A hat 500 Euro übrig, Kind B hat 250 Euro übrig. Gesamt sind das 750 Euro Unterhalt für die Eltern. Prozentual muss A 66,66 Prozent übernehmen und B 33,33 Prozent. Braucht der Elternteil noch 500 Euro, wird A 333,33 Euro zahlen müssen und B 166,66 Euro.

Keine Unterhaltspflicht in Härtefällen

Stellt das Zahlen von Elternunterhalt eine unbillige Härte dar, sind Verwandte in gerader Linie nicht unterhaltspflichtig. Laut Bundesgerichtshof ist das der Fall, wenn die „Familienbande zumindest stark gelockert sind“ und die Eltern eine „emotionale und materielle Zuwendung“ über Jahre haben vermissen lassen (BGH-Urteil vom 21. April 2004, AZ: XII ZR 251/01).

Hat ein Elternteil nach einer Trennung keinen Kindesunterhalt gezahlt, muss laut Bundesgerichtshof im Einzelfall geprüft werden, ob dies auch den Elternunterhalt ausschließt. Ein Vater hatte eine psychische Erkrankung aufgrund seiner Kriegserlebnisse und war dadurch nicht in der Lage, für sein Kind zu sorgen. Die Richter entschieden, dass das Kind wegen unbilliger Härte im Sinne von § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII nicht für den bedürftigen Elternteil aufkommen muss. Der Staat hatte den Vater in den Krieg geschickt, als er psychisch krank zurückkam, wurde er dauerhaft in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht. Die Tochter hatte ihren Vater nie zu Hause erlebt bzw. Unterhalt von ihm erhalten. Die Richter schlossen in diesem Fall einen Übergang des Unterhaltsanspruchs auf die Behörde und damit auch eine Unterhaltspflicht des Kindes aus.

Bei Kindesmissbrauch entfällt der Unterhaltsanspruch immer komplett. Hat der bedürftige Elternteil seine Altersversorgung vorsätzlich gemindert, indem er Drogen genommen, getrunken oder die Arbeit verweigert hat, wird der Unterhaltsanspruch meist nur verringert. Der Bundesgerichtshof hat sich kürzlich mit der Frage beschäftigt, ob der Elternunterhaltsanspruch entfällt, wenn die Mutter sich aufgrund einer Psychose nur wenig um die Kinder kümmern konnte und das Kind sich daher in seiner Kindheit schwer vernachlässigt gefühlt hatte. Die Mutter litt an einer Psychose mit schizophrener Symptomatik und damit einhergehender Antriebsschwäche und Wahnideen. Sie hat ihre Kinder (Zwillinge) nur bis zum zehnten Lebensjahr betreut – immer wieder mit Unterbrechungen wegen zum Teil längerer stationärer Krankenhausaufenthalte. Die Kinder wurden anschließend beim Vater groß. Mit 16 Jahren brach der Kontakt zur Mutter vollständig ab.

Bis zum Tod sah der Sohn seine kranke Mutter nur ein paar Mal bei Familientreffen. Der Sohn ist der Meinung, dass die Mutter ihre Krankheit durch Einnahme von Medikamenten unterstützt und verschlimmert habe. Damit hätte sie schuldhaft ihre Unterhaltsverpflichtung verletzt. Es wäre für ihn eine unbillige Härte, wenn er zahlen müsse.

Der Bundesgerichtshof sah das in seiner Entscheidung vom 15. September 2010 anders: Eine psychische Erkrankung sei kein schuldhaftes Fehlverhalten im Sinne des § 1611 BGB. Die Krankheit der Mutter sei schicksalsbedingt, die familiäre Solidarität rechtfertige einen Unterhaltsanspruch. Dem Staat die Unterhaltslast aufzuerlegen, wäre ungerecht. Etwas anderes gelte nur dann, wenn der Lebenssachverhalt auch soziale bzw. öffentliche Belange beinhalte (AZ: XII ZR 148/09).

Wenn die Behörde Sie zur Kasse bittet

Wenn Sie eine Zahlungsaufforderung vom Sozialamt erhalten, mit der Sie nicht einverstanden sind, sollten Sie mit der Behörde reden. Weisen Sie die Forderung ganz oder teilweise zurück.

Tipp:

Lassen Sie sich aber nicht unter Druck setzen. Denn es handelt es sich nicht um einen verwaltungsrechtlichen Kostenbescheid, sondern um eine zivilrechtliche Bitte, den ausgerechneten Betrag zu zahlen. Deshalb können Sie auch keinen Widerspruch gegen die Forderung einlegen.

Die Behörde kann nicht aus der Aufforderung vollstrecken, sie kann also keinen Gerichtsvollzieher beauftragen. Will die Behörde Geld, muss sie klagen. Erst wenn ein endgültiges Urteil oder ein Vergleich vorliegt, können Sie zur Kasse gebeten werden.

Tipp: 

Zahlen Sie auf keinen Fall, wenn Sie mit der Zahlungsaufforderung der Behörde nicht einverstanden sind. Nehmen Sie sich rechtzeitig einen Anwalt, am besten einen Fachanwalt für Familien- und Sozialrecht.

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